Im Jahr 1972 hat Audemars Piguet die Welt der Armbanduhren für immer verändert. Erstmals gab es eine Luxusuhr, die aus Edelstahl gefertigt war, eine akzeptable Wasserdichtigkeit aufwies und über ein sportliches Erscheinungsbild verfügte. Der legendäre Designer Gerald Genta, der Vater der Royal Oak, hatte bereits vor der Royal Oak mit verschiedenen Modellen von Omega, Rolex und weiteren Uhrenmarken großen Erfolg. Den Olymp der Uhrendesigner bestieg er aber endgültig im Jahr 1976, also genau vier Jahre nach der Veröffentlichung der Audemars Piguet Royal Oak.
In diesem Jahr, auf dem Höhepunkt der Quarzkrise, erschuf Genta eine sportliche Stahl-Armbanduhr im Auftrag der luxuriösen Uhrenmarke Patek Philippe, die heute als die wohl begehrenswerteste und ikonischste Armbanduhr der gesamten Schweizer Uhrenindustrie gilt: die Patek Philippe Nautilus. Doch die Audemars Piguet Royal Oak und die Patek Philippe Nautilus hatten mehr gemeinsam, als nur ein ähnliches Design, den selben Designer und nur wenige Jahre zwischen ihrer Schaffung. Tatsächlich war die Nautilus, ähnlich wie die Royal Oak, zu Beginn ein wahrer Ladenhüter.
Zu extravagant schien die Idee, eine Luxusuhr aus Stahl zu produzieren, die dann auch noch ein sportliches Design haben sollte. Bereits die Royal Oak kostete bei ihrer Lancierung so viel wie acht bis zehn Rolex Submariner Uhren – und die Nautilus war sogar noch darüber angesiedelt. Gleichzeitig vermarktete Patek Philippe die Nautilus von Beginn an ein wenig anders als Audemars Piguet die Royal Oak. Am Ende würden beide Uhren ein Klassiker werden, im Jahr 1976 konnte dies jedoch zumindest von der Nautilus noch niemand ernsthaft wissen.
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Namensgebung: Warum gerade Nautilus?
Der Name „Nautilus“ ist nicht nur äußerst wohlklingend, sondern hat auch einen durchaus interessanten Hintergrund. Das entsprechende Modell wurde nach dem U-Boot „Nautilus“ von Kapitän Nemo in Jules Vernes legendärem Bestseller „20.000 Meilen unter dem Meer“ benannt. Das mag auf den ersten Blick erstaunen, denn immerhin ist die Nautilus keine Taucheruhr. Tatsächlich ist das Maß an Wasserdichtigkeit (die Nautilus war zu Beginn 120 Meter wasserdicht) aber bemerkenswert, denn die geringe Bauhöhe der Uhr machte komplexe hermetische Versiegelungen so gut wie unmöglich.
In einer Zeit, als die meisten Uhren noch nicht einmal ansatzweise über eine Wasserdichtigkeit von 100 Metern verfügten, konnte die Nautilus mit ihren 120 Metern durchaus einen sehr guten Wert bieten. Ermöglicht wurde dies durch die spezielle Konstruktion des Gehäuses, das einen kompletten Dichtungsring zwischen der Lünette und dem übrigen Gehäuseblock vorsah. Auf diese Weise gab es nur eine einzige Möglichkeit zum Eindringen von Wasser (abgesehen von der Krone) und diese konnte mit einer einzigen, massiven Dichtung abgedichtet werden.
Gleichwohl war die Patek Philippe Nautilus bei ihrem Launch 1976 bereits eine sehr teure Uhr, die vermutlich nur selten den Meeresspiegel von unten gesehen haben dürfte.
Die erste Patek Philippe Nautilus Ref. 3700
Die Geschichte der Patek Philippe Nautilus begann 1976 mit der Referenz 3700, die stolze 14 Jahre in Produktion war. Mit einem Durchmesser von 42 mm (wobei man die links und rechts am Gehäuse sitzenden „Ohren“ des Gehäuses auch dazuzählen muss) war die Nautilus beinahe lächerlich groß. Bereits die erste Royal Oak mit ihren 39 mm Durchmesser ohne Krone wurde als viel zu groß angesehen und die Nautilus legte hier sogar noch etwas drauf! Die klassische Referenz 3700/1A hatte noch keinen Sekundenzeiger, dafür aber eine Wasserdichtigkeit von stolzen 120 Metern und eine extrem flache Bauweise mit einer Höhe von insgesamt nur 7,5 mm.
Wie auch in der Royal Oak arbeitete im Inneren der ersten Nautilus ein Uhrwerk von Jaeger LeCoultre, nämlich das Kaliber 920, das bei Patek Philippe als 28-255C bezeichnet wurde. Dieses Uhrwerk verfügte über 40 Stunden Gangreserve und war mit einer Gyromax Unruh ausgestattet, außerdem hatte es einen Zentralrotor mit 21kt Goldrand für optimales Schwing- und Aufzugsverhalten. Leider wurde die Größe der Uhr vom Publikum als so dermaßen zu groß angesehen, dass die Uhr den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Jumbo“ erhielt, ebenso wie die Royal Oak von Audemars Piguet.
Zunächst wurde die Nautilus 3700 nur in Edelstahl produziert, später auch in BiColor (Stahl und Gelbgold). Zudem wurden vermutlich elf Exemplare aus massivem Gold und zwei Modelle aus Platin produziert. Während der 14-jährigen Produktionszeit der 3700 wechselte zudem die Armbandbreite: Von 1976 bis 1982 war das integrierte Stahlarmband der Nautilus durchgehend 16 mm breit, während von 1982 bis 1990 ein etwas zulaufendes Armband mit einer Breite von nur noch 14 mm genutzt wurde. Das zweiteilige Gehäuse wurde von oben und unten aufgesetzt und die beiden Teile wurden schließlich mit horizontalen Schrauben in den „Ohren“ des Gehäuses verschraubt.
Als Inspiration für die eigenwillige Gestaltung der Nautilus dienten Gerald Genta die hermetisch verschlossenen Schiffsfenster von Transatlantik-Kreuzern. Angeblich soll Gerald Genta die Nautilus in nur fünf Minuten auf einem einzelnen Blatt skizziert haben, während nur wenige Meter von ihm entfernt eine Reihe von Patek Philippe Funktionären gesessen haben sollen. Zu den heute gefragtesten Modellen der Referenz 3700 gehören vor allem die „Co-Stamped“ Modelle, bei denen noch die Namen von Juwelieren auf dem Zifferblatt vermerkt sind. Nachgewiesen sind etwa Modelle der Juweliere Beyer, Gübelin und Tiffany & Co.
Weiterentwicklung: Die Nautilus Ref. 3800 folgt
Die Nautilus Jumbo mit der Referenz 3700 war der breiten Masse an potentiellen Käufern also zu groß. Was macht man als Uhrenhersteller dann? Klar, man lanciert ein neues Modell, das deutlich kleiner ist. Im Falle von Patek Philippe war dieses neue Modell die Nautilus der Referenz 3800, die auf erheblich tragbarere 37,5 mm geschrumpft war. Die Größe bezieht sich hierbei natürlich wieder auf die Gehäusebreite ohne Krone, dafür aber inklusive der „Ohren“, denn das Gehäuse der Nautilus blieb ansonsten komplett gleich.
Eingeführt wurde die Referenz 3800 im Jahr 1981, also wenige Jahre nach der Vorstellung der ersten Nautilus 1976, allerdings wurden die beiden Referenzen viele Jahre parallel produziert, denn die 3800 wurde bis 2006 hergestellt, währen die 3700 bis 1990 hergestellt wurde – über den Zeitraum von rund neun Jahren waren also beide Modelle zeitgleich verfügbar. Auch das kennen wir bereits von anderen Herstellern, denn auch die Rolex GMT Master und GMT Master II beispielsweise waren über mehrere Jahre hinweg parallel erhältlich, bevor die GMT Master II den Vorgänger endgültig ablösen sollte.
Die 3800 ist auf den ersten Blick bereits von der 3700 unterscheidbar, denn nunmehr war die kleinere Nautilus mit einem Inhouse Manufakturkaliber ausgestattet, das über eine Zentralsekunde verfügte. Das Kaliber 335 SC (wobei „SC“ für „Seconde Centrale“, also „Zentralsekunde“ steht) besaß 29 Lagersteine und arbeitete mit einer Unruhfrequenz von 4 Hz, bzw. 28.800 A/h. Im Gegensatz zum vorher verbauten Jaeger LeCoultre Kaliber hatte das 335 SC von Patek Philippe allerdings keine Gyromax-Unruh, außerdem war zu Beginn noch kein Quickset für das Datum vorhanden. Im Jahr 1992, also rund elf Jahre nach der ersten Vorstellung der Nautilus 3800, wurde das Kaliber dann durch das 330 / 134 SC von Patek Philippe ausgetauscht, das eine Genfer Punze hatte und eine Gyromax Unruh besaß.
Ein neuer Wechsel erfolgte 1997: Das Kaliber 330 / 134 SC wurde durch das erneut von Patek Philippe stammende Manufakturwerk 330 / 194 SC ersetzt, das dank der nur 3 Hz statt 4 Hz schwingenden Unruh auf eine Gangreserve von etwa 48 Stunden kam. Von der Referenz 3800 wurden deutlich mehr Varianten als von der 3700 hergestellt, insbesondere auch ein Modell in Roségold und Modelle mit unterschiedlichen Zifferblättern. Die Patek Philippe 3800 war zudem auch mit einem weißen Zifferblatt erhältlich, das bei der 3700 ausschließlich im Rahmen eines Prototypen-Einzelstücks zu finden war.
Uhrwerke und Komplikationen bei der Nautilus
In den folgenden Jahren folgten mehrere verschiedene Ausführungen der Nautilus, die zum Teil als „Transitional“-Modelle, also als Übergangsmodelle bezeichnet werden. Dazu gehörten insbesondere die Nautilus mit Gangreserve-Anzeige der Referenz 3710 (produziert von 1998 bis 2006) und die luxuriösen Zwischenmodelle der Referenz 3711 und 3712, die nur in den Jahren 2004 (Ref. 3711) und 2005 (Ref. 3712) hergestellt wurden. Im Jahr 2006 folgte dann schließlich die wohl ikonischste Nautilus, die es jemals gab: die legendäre Referenz 5711. Mit dem erneuten Durchmesser von 42,5 mm ohne Krone kehrte die Referenz 5711 wieder zurück zu den Wurzeln der nur einen halben Millimeter kleineren 3700, also der „Ur“-Nautilus.
Das Gehäuse war nun jedoch nicht mehr zwei- sondern dreigeteilt und auf Grund des verbauten Manufakturwerks 315 SC (nur 2006 und 2007) und später 324 SC (von 2007 bis 2019) mit etwa 8,3 mm etwas dicker als die erste Nautilus. Das Kaliber 324 SC arbeitete wieder mit 4 Hz Unruhfrequenz, hatte aber immer noch keinen Sekundenstopp (was von der Uhrencommunity durchaus auch kritisiert wurde). Im Jahr 2019 wurde schließlich auf das Kaliber 26-330 SC geupdatet, das nunmehr auch über einen Sekundenstopp verfügte. Die Varianten mit Mondphase und Gangreserve (Ref. 5712), Chronograph (Ref. 5980), GMT-Funktion (Ref. 5990), Jahreskalender (Ref. 5726) und ewigem Kalender (Ref. 5740) gehörten und gehören zu den mit Abstand gefragtesten Uhren auf dem Markt und erzielen noch heute absolute Spitzenpreise.
Die Nautilus heute: 5711 und 5811
Nach einer abschließenden Produktion von Ref. 5711 Nautilus Uhren mit grünem Zifferblatt und einer streng limitierten Version mit türkisem Zifferblatt und „Tiffany & Co.“ Co-Stamp wurde die Nautilus schließlich im Jahr 2022 durch ihren Nachfolger ersetzt: die Referenz 5811. Im Gegensatz zu den Vorgängern ihrer Serie war diese Referenz die erste Nautilus überhaupt, die nicht mehr in Edelstahl verfügbar war. Damit hat sich Patek Philippe natürlich vom ursprünglichen Sinn der Nautilus wegbewegt: eine sportliche Stahl-Armbanduhr im Luxusbereich bieten zu können.
Die Referenz 5811 ist ausschließlich in Weißgold erhältlich und unterscheidet sich optisch kaum vom Vorgänger – alleine der kleine Rahmen um das Datumsfenster auf der Position der 3 auf dem Zifferblatt vermag die neue Referenz zu offenbaren. Zudem ist das neue Gehäuse rund einen Millimeter breiter als das Gehäuse der Vorgänger-Referenz, allerdings dürfte das ohne den direkten Vergleich mit der 5711 praktisch nicht zu erkennen sein. Im Inneren der neuen Nautilus in Weißgold arbeitet immer noch das hauseigene, aus exakt 212 Einzelteilen bestehende Manufakturwerk 26-330 SC mit Zentralrotor aus 21k Massivgold, rund 45 Stunden Gangreserve und 30 Lagersteinen.
Damit ist die Nautilus Referenz 5811 zwar technisch noch lange nicht da, wo Rolex & Co. bereits gestern waren – das muss eine Patek Philippe Nautilus aber auch gar nicht unbedingt. Die rund 70.000 Euro teure Uhr ist ohne jahrelange Warteliste ohnehin nicht zu kriegen – und vermutlich niemand auf der besagten Warteliste steht dort auf Grund der technischen Überlegenheit des mechanischen Uhrwerks der Nautilus.