Gefälschte Uhren

Gefälschte Armbanduhren sind ein absolutes Ärgernis für die Industrie, für Sammler und natürlich auch für Händler. Wer aber denkt, gefälschte Armbanduhren sind einfach „nur“ eine unvermeidbare Begleiterscheinung einer auf Luxus fokussierten Branche, die durch ein paar nachgemachte Uhren kaum beeinflusst wird, der irrt: Gefälschte Armbanduhren gehören nicht nur zu den größten Risiken, denen sich die weltweite Uhrenindustrie heute ausgesetzt sieht, sondern die Gewinne aus dem Verkauf von Fakes begünstigen unter anderem Kinderarbeit, Terror und organisierte Kriminalität auf der ganzen Welt. Es ist also nicht gerade ein Kavaliersdelikt, gefälschte Uhren zu kaufen, zu verkaufen, zu importieren und eigentlich auch zu tragen. Sehr zum Ärgernis vieler Sammler, Hersteller und Uhrenfans ist das Kaufen und Verkaufen, sowie das Tragen von gefälschten Markenprodukten in Deutschland kein Straftatbestand; es ist noch nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit. Stattdessen macht sich nur derjenige strafbar, der diese Uhren gewerbsmäßig handelt – aber was bedeutet das schon? Sind zehn Uhren pro Jahr gewerbsmäßig oder 100? Diese unscharfe Abgrenzung hat einen gigantischen Grau- und Schwarzmarkt hervorgebracht, der von unzähligen Kriminellen genutzt wird, um gefälschte Uhren in Umlauf zu bringen. Oft werden die Uhren in großen Stückzahlen aus dem Urlaub mitgebracht und dann in Deutschland über das Internet (häufig über eBay, Kleinanzeigen oder Facebook Gruppen) gewinnbringend verkauft. Die meisten Neulinge in der Uhrenwelt sind sich dieses gigantischen Risikos vermutlich gar nicht bewusst.

Was außerdem nur die wenigsten Uhrenenthusiasten wissen dürften: Betrachtet man nicht den Preis, sondern die Stückzahlen an verkauften Uhren, ist der Markt für Fälschungen sogar noch größer als der „echte“ Markt für Armbanduhren. Während aktuell pro Jahr rund 30 Mio. Schweizer Uhren produziert werden, liegt der Anteil an gefälschten Uhren jedes Jahr bei rund 40 bis 50 Mio. Stück. Das Problem: Die Dunkelziffer könnte und dürfte sogar noch deutlich höher liegen. Rund 50 % der Fälschungen gehen alleine auf das Konto von Rolex Replicas. Die Marke mit der Krone ist nicht nur die wohl beliebteste Luxusmarke der Welt, sondern man kennt die Modelle auch weltweit. Die nachgemachten Uhren lassen sich daher ohne Probleme auf der ganzen Welt verkaufen, wobei nur die wenigstens Fälschungen so hochwertig sein dürften, dass diese auch von halbwegs erfahrenen Uhrenfans nicht erkannt werden dürften. Dennoch ist es ein großes Problem für die Hersteller echter Luxusuhren, denn jede Fälschung beschädigt in der Öffentlichkeit auch das Ansehen und die Beliebtheit der Marke. Getreu dem Gedanken „Eine Rolex will ich nicht, man würde die Uhr eh nur für eine Fälschung halten“ ist es nicht gerade fernliegend, dass das Image der großen und relevanten Marken durch grassierende Fakes Schaden nehmen könnte. Das mag bei Rolex, einer Marke mit einer kaum zu fassenden Nachfrage, noch relativ egal sein, bei anderen Luxusmarken kann das aber durchaus zu einem Problem werden. Dass Luxusmarken auf ihr Image sehr bedacht sind, ist bereits an den Konzessionen zu erkennen: Wer Uhren einer bestimmten Marke verkaufen möchte, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als Konzessionär agieren zu dürfen. Die Präsentation der eigenen Zeitmesser, sowie die unmittelbare Nachbarschaft im Schaufenster kann durchaus einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung eines Herstellers haben. Insbesondere auf lange Sicht können dadurch große Vorteile in der Vermarktung entstehen, es können anders herum aber genau so gut Nachteile entstehen, wenn das eigene Image nicht ausreichend gepflegt wird. Und eines mögen Luxusmarken garantiert gar nicht gerne: Unautorisierte billige Fälschungen, die irgendwo in Asien unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt werden und dann von Kriminellen in den Westen verkauft werden.

Grundsätzlich unterscheidet man drei verschiedene Arten von Fälschungen: Billige Strandware, qualitativ durchschnittliche Factory Fakes und sogenannte Superclones. Die billige Strandware umfasst vom Volumen her die größte Gruppe an Fälschungen. Hierbei handelt es sich um billige Uhren mit chinesischen Quarzwerken, die von Strandhändlern in Urlaubsorten angeboten werden – man findet diese Uhren aber problemlos auch im Internet. Hier fällt es selbst dem ungeschulten Auge oft leicht, eine Fälschung zu erkennen: Die Verarbeitung ist oft so grottenschlecht, dass man die Qualifizierung als Fake unmittelbar vornehmen kann. Das Quarzwerk sorgt hier dafür, dass der Sekundenzeiger nur eine Bewegung pro Sekunde macht, während die meisten Luxusuhren aber mechanische Uhren sind. Bei gefälschten Chronographen dieser Kategorie funktioniert zudem der Chronograph nur in den seltensten Fällen, stattdessen zeigen die Totalisatoren die Uhrzeit oder das Datum an. Das hat einen einfachen Grund: Chronographenwerke sind selbst als Quarzwerke noch teurer als einfache Werke mit Datumsanzeigen oder einer 24-Stunden-Anzeige und bei einer billigen Strandfälschung ist es ziemlich egal, ob die Stoppfunktion der Armbanduhr nun funktioniert oder nicht. Gerade bei diesen billigen Uhren ist jedoch auch Vorsicht geboten: Bei der Produktion dieser Uhren können chemische Stoffe zum Einsatz kommen, insbesondere Lackfarben, die Hautreizungen hervorrufen oder sogar giftig sein können. Von diesen gefälschten Uhren geht also nicht nur eine Gefahr für den Luxusmarkt, sondern tatsächlich auch unter Umständen für die eigene Gesundheit aus.

Die am häufigsten in Deutschland zu beobachtende Form der Uhrenfälschung ist der Factory Clone. Hierbei handelt es sich um Fälschungen, die im Regelfall über das Internet angeboten werden. In einschlägigen Facebook Gruppen oder auf Online-Marktplätzen werden diese Uhren als Fälschungen verkauft und auch als solche betitelt, das stört die Käufer solcher Uhren aber nicht. Der unerfahrene Laie lässt sich von einer solchen Uhr möglicherweise beeindrucken, entsprechend nimmt man es in Kauf, von einem erfahrenen Uhrenfan „enttarnt“ zu werden. Diese Uhren kosten im Regelfall wenige hundert Euro, verfügen oftmals sogar über Schweizer Automatikwerke und die Verarbeitung der Modelle ist erheblich besser als bei den billigen Strandfakes. Die echten Luxusuhren werden von dieser Kategorie an Fälschungen schon relativ gut imitiert, allerdings gibt es immer noch eine ganze Reihe an Merkmalen, die der Experte auf den ersten Blick erkennen kann und die den betreffenden Zeitmesser als Fälschung deklarieren. Insbesondere das Uhrwerk ist bei Luxusuhren häufig von Marke zu Marke unterschiedlich dekoriert, was bei Fälschungen aus Produktionsgründen nur selten abgebildet wird. Zudem können die Qualität des Drucks auf dem Zifferblatt, sowie der beweglichen Bauteile (insbesondere Krone und Lünette) nicht mit der Qualität einer echten Nobeluhr mithalten. Dies wiederum kann aber oft nur der erfahrene Experte erkennen; die meisten Laien können eine Fälschung dieser Kategorie nicht einmal im Ansatz erkennen, weshalb hier die akute Gefahr besteht, übers Ohr gehauen und um viele tausend Euro betrogen zu werden.

Die dritte und letzte Kategorie betrifft die sogenannten Superclones. Bei diesen Uhren, die durchaus mehrere tausend Euro kosten können, handelt es sich um extrem hochwertig verarbeitete und gut gemachte Fakes, die selbst von Profis nur sehr schwer erkannt werden können. Bauhöhe des Gehäuses, Verzierung des Rotors, Qualität des Zifferblatt-Drucks und viele weitere Faktoren sind bei diesen Zeitmessern so gut umgesetzt, dass es auch Händler und Sammler gibt, die solche Uhren nicht als Fälschungen enttarnen können. Das Problem wird durch sogenannte „Franken-Watches“ noch intensiviert. Als Frankenuhren bezeichnet man, als Anspielung an das aus Leichenteilen zusammengesetzte Monster von Victor Frankenstein, eine gefälschte Uhr, bei der einzelne Bauteile von einer echten Uhr stammen. So kann man beispielsweise eine gefälschte Rolex Daytona vor sich haben, deren Zifferblatt aber von einer echten Uhr stammt. Vor allem bei sensiblen Bauteilen, die häufig zur Identifikation als Fälschung dienen (etwa Zifferblatt, Lünette, Rotor, Gehäusedeckel), kann dies dazu führen, dass selbst ein professioneller Händler in die Falle tappt. Aus diesem Grund gibt es kaum noch Händler, die sich eine Aussage über die Echtheit eines Stücks zutrauen, ohne die Uhr vorher zum offiziellen Service des Herstellers geschickt zu haben. Nur dieser kann im Zweifel über die Prüfung von Materialbeschaffenheit, Prüfnummern und weiteren Details die Echtheit einer Uhr zweifelsfrei bestätigen. Wer sich auch vor einer solchen Gefahr beim Uhrenkauf schützen will, der muss vom offiziellen Konzessionär kaufen – entweder neu oder im Rahmen eines Certified Pre-Owned Programms.

Wer hofft, im Rahmen einer kurzen Internetrecherche herausfinden zu können, woran man eine Fake-Uhr erkennen kann und dann im Handumdrehen zum Experten zu werden, der muss an dieser Stelle leider bitterlich enttäuscht werden. Das Erkennen einer gefälschten Uhr setzt jahrelange Erfahrung voraus und kann aus Sicht des Autors nicht wirklich „erlernt“ werden. Vielmehr muss man einfach eine gewisse Anzahl an Uhren in der Hand gehabt und gespürt haben, um zu wissen, worauf es dabei wirklich ankommt. Zudem unterscheiden sich die wichtigsten Kriterien zum Erkennen einer gefälschten Luxusuhr auch von Marke zu Marke: Während bei Patek Philippe Nautilus oder Aquanaut Uhren etwa das Datum bei Fälschungen häufig an einer falschen Stelle sitzt, sind es bei Rolex Uhren häufig die schlecht gemachten Bandanstöße, die Aufschluss über die Authentizität geben. Gleichwohl ist es unbedingt hilfreich, wenn man neben der zu überprüfenden Uhr auch eine echte Uhr des jeweiligen Modells zur Hand hat. Im direkten Vergleich kann neben den wichtigsten offensichtlichen Faktoren noch viel mehr überprüft werden, etwa die Bauhöhe, die Verarbeitung des Armbands oder das Geräusch des Uhrwerks (das Ticken unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller oftmals extrem). Wer sich mit der Funktionsweise und dem Aufbau von Uhrwerken grundsätzlich auskennt, der kann auch durch das Begutachten des Uhrwerks einen Erkenntnisgewinn erzielen. Vor allem die Unruh und alle unmittelbar damit im Zusammenhang stehenden Bauteile (Unruhkloben / Unruhbrücke, Regulierung, etc.) sind entscheidend für die Präzision des Uhrwerks, weshalb diese nur in Ausnahmefällen von Fälschern so bearbeitet werden, wie es der echte Hersteller tun würde.

Gleichwohl kann an dieser Stelle mit einem oft zitierten Irrglauben aufgeräumt werden: der Annahme, manche Uhren würden nicht gefälscht werden. Denn es wird jede Uhr gefälscht und zwar ausnahmslos jede Uhr. Von der 20 Euro teuren Casio über Seiko 5 Sports Automatikuhren bis hin zur Grande Complication von Jaeger LeCoultre mit funktionierendem Jahreskalender – die Modelle, die von Fälschern ins Visier genommen werden, kommen aus allen Ländern der Welt, von den unterschiedlichsten Herstellern und bieten ganz verschiedene Komplikationen und Preisklassen. Uhren, die bei uns in Deutschland, Österreich oder der Schweiz als günstig gelten, können in Südostasien durchaus teure und beliebte Statussymbole sein. Außerdem können Handelsbeschränkungen und Zölle eigentlich vergleichsweise günstige Uhren zu nahezu unerschwinglichen Luxusgütern machen, sodass wieder nur eine Fälschung als Ausweg erscheint. Die Probleme mit gefälschten Armbanduhren erstrecken sich auf alle möglichen Preis- und Leistungsklassen bei Zeitmessern und machen selbst vor günstigeren Uhrenmarken nicht Halt. Der Kauf vom Konzessionär oder Juwelier ist für risikoaverse Uhrenfans daher die einzige echte Möglichkeit, sich zuverlässig vor gefälschter Ware zu schützen. Wer nicht wirklich ein echter Experte mit viel Fachkenntnis und jahrelanger Erfahrung ist, kann kaum im Stande sein, zuverlässig alle Fälschungen am Markt zweifelsfrei zu erkennen.