Die Geschichte der Armbanduhr beginnt bereits sehr früh. Vermutlich deutlich früher, als der ein oder andere sich das hätte erträumen lassen. Keine der bekannten und beliebten Marken, die man heute beim Juwelier um die Ecke finden kann, steht auch nur im Ansatz im Verdacht, die erste echte Armbanduhr produziert und / oder verkauft zu haben. Vermutlich ist nicht einmal vollkommen klar, welcher Hersteller (denn von Marken sprach man vor einigen Hundert Jahren noch keineswegs) für die ersten am Handgelenk tragbaren Uhren verantwortlich war. Und selbst wenn wir nur von tragbaren Uhren sprechen: Von der einfachsten Form der Zeitmessung bis hin zur Armbanduhr sind es nicht nur viele tausend Jahre, sondern auch unterschiedliche Formen und Arten, wie wir Menschen unsere Uhren tragen – und ob wir diese überhaupt an, beziehungsweise bei uns tragen.
Die frühesten tragbaren Uhren dürften nach heutigem Wissensstand aus Süddeutschland stammen, aber auch Frankreich und England waren im 15. Jahrhundert entscheidende Grundpfeiler der Uhrmacherei. Dass der Nürnberger Erfinder Peter Henlein mit dem „Nürnberger Ei“ um das Jahr 1504 die erste tragbare Uhr oder gar die erste Taschenuhr geschaffen habe, gilt heute zuverlässig als widerlegt – er hob lediglich die Qualität und Präzision dieser tragbaren Uhren auf eine ganz neue Stufe. Die bis dahin erhältlichen tragbaren Uhren waren oft in zylindrischer Form oder in Zapfenform erhältlich, von Armbanduhren war noch lange keine Rede. Gleichzeitig waren die frühesten tragbaren Uhren bereits extrem teuer und konnten nur von der Aristokratie und sehr wohlhabenden Bürger erworben werden. Die früheste Darstellung einer tragbaren Uhr in der Kunst datiert auf das Jahr 1532, wobei es sich dabei um das Gemälde „Der Kaufmann Georg Gisze“ von Hans Holbein dem Jüngeren handelt. Einer der frühesten Besitzer einer tragbaren Uhr, die heute immer noch erhalten ist, dürfte der Theologe und Angehörige der Wittenberger Reformation Philipp Melanchton sein. Dessen kugelrunde tragbare Uhr könnte eine der frühesten tragbaren Uhren der Menschheitsgeschichte gewesen sein und befindet sich heute im Walters Art Museum in Baltimore. Auf der Unterseite ist neben den Worten „Phil[ip] Mela[nchthon] Gott al[l]ein die Ehr[e]“ das Jahr der Herstellung mit „1530“ vermerkt, was eine zweifelsfreie Datierung des Stücks ermöglicht. Von einer Armbanduhr war dieser Zeitmesser jedoch noch weit weg – sowohl hinsichtlich der Technik, als auch der zeitlichen Nähe.
Ursprünglich ging man davon aus, dass die erste Armbanduhr der Welt von Breguet gefertigt worden war. Der Name Breguet (der Nachname des legendären Uhrmachers, Mathematikers, Physikers, Ingenieurs und nicht zuletzt Erfinders Abraham Louis Breguet) steht heute für qualitativ hochwertigste Zeitmesser, die in einer Liga mit Patek Philippe, A. Lange & Söhne oder F.P. Journe spielen. Auf dem heutigen Uhrenmarkt spielt die Marke Breguet dagegen mittlerweile eine untergeordnete Rolle. Innerhalb des Swatch Konzerns wird Breguet eher stiefmütterlich behandelt – es ist sogar mehr als fraglich, ob die Marke für die Swatch Group überhaupt profitabel ist, oder ob Breguet Jahr für Jahr rote Zahlen schreibt. Die heute kaum noch existierende Relevanz von Breguet steht jedoch im krassen Gegensatz zu den frühen Ursprüngen der Uhrmacherei. Auf das Konto von Abraham Louis Breguet gehen einige der wichtigsten Erfindungen der Feinmechanik überhaupt (neben dem Tourbillon hat Breguet auch eine frühe Form der Stoßsicherung namens Pare-Chute erfunden), gleichzeitig gehörten zu seinem elitären Kundenkreis fast der gesamte Adel von Zentraleuropa bis Asien, vom französischen Kaiser bis hin zu den russischen Zaren.
Dokumentiert ist zwar, dass Breguet am 8. Juni 1810 eine an einem Armband tragbare Uhr mit der Nummer 2639 für die Königin von Neapel entworfen hat – dabei dürfte es sich jedoch bei weitem nicht um die erste Armbanduhr der Geschichte handeln. Vielmehr dürfte diese Uhr mit ovalem Gehäuse, Repetitionswerk und mehreren Komplikationen eine Art Schmuckstück gewesen sein, das aus optischen Gründen an einem Armband getragen werden konnte. Beim Armband handelte es sich dem Vernehmen nach allerdings nicht um ein Armband aus Leder, Gold oder Platin, sondern aus Pferdehaar und Goldfäden – eine aus heutiger Sicht durchaus gewöhnungsbedürftige Kombination, die nicht nur aus hygienischen Gründen eine mittelschwere Katastrophe gewesen sein dürfte, sondern auch ziemlich unpraktisch gewesen sein muss. Aber was tut man nicht alles als elitärer Uhrmacher, wenn die Königin von Neapel – die alleine zwischen 1808 und 1814 stolze 34 Uhren bei Breguet bestellt hatte – eine Armbanduhr haben möchte. Nachdem diese Uhr in den folgenden Jahrzehnten nach ihrer Konstruktion noch zwei mal beim Breguet-Service war (das Manufakturverzeichnis gibt Aufschluss darüber), verlor sich ihre Spur. Bis heute ist dieses kostbare Stück Uhrengeschichte verloren, es gibt keinerlei Informationen über den Verbleib des Stücks. Mit dem damaligen Preis von 5.000 Francs (heute etwa 13.500 Euro) war das Stück natürlich auch ein absolutes Schnäppchen.
Wenn aber nicht Breguet der Urheber der ersten echten Armbanduhr war, wer war es dann? Um diese Frage zu beantworten muss man zunächst noch ein paar hundert Jahre weiter in die Vergangenheit reisen, nämlich in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Im Jahr 1571 soll dort nämlich der englischen Königin Elizabeth I. von ihrem engen Vertrauten Robert Dudley, Earl of Leicester, eine Uhr überreicht worden sein, die zur damaligen Zeit als „arm watch“ oder „clocke“ bezeichnet wurde. Leider ist über das Aussehen dieser Uhr nichts bekannt, entsprechend den historischen Gegebenheiten dürfte es sich aber um eine vergleichsweise große Uhr an einem metallenen Armreif handeln, der ziemlich sicher aus massivem Gold bestand und unter Umständen sogar mit Edelsteinen besetzt gewesen sein dürfte. Bei dieser Uhr dürfte es sich nun tatsächlich um die erste halbwegs nachweisbare Armbanduhr der Weltgeschichte handeln, auch wenn weder über den Fabrikanten, noch über deren Aussehen etwas bekannt ist. Wenn aber das Aussehen dieser Uhr ein Geheimnis ist, woher stammt dann die Vermutung, dass die Uhr nicht an einem Armband aus Leder, Goldfaden, Pferdehaar oder einem anderen Material getragen wurde? Ganz einfach: Diese Uhr war ein Produkt ihrer Zeit.