Fliegeruhren

Die Fliegerei fasziniert die Menschheit seit jeher. Wer würde sich nicht gerne einfach so in die Lüfte erheben, in kurzer Zeit ferne Länder bereisen und dem Alltag entfliehen können? Dass die Menschheit heute mobiler ist als in ihrer gesamten Geschichte jemals zuvor ist maßgeblich jenen Pionieren zu verdanken, die für über 100 Jahren die Grundlagen der modernen Fliegerei gelegt haben. Und auch diese konnten wiederum auf Grundlagenforschung und Entdeckungen zurückgreifen, die viele Jahrhunderte vor ihrer Geburt bereits bekannt waren.

Die Wurzeln der modernen Fliegerei, wie wir sie heute noch im Ansatz kennen und nutzen, liegen aber insbesondere in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts. Von den Gebrüdern Wright und Otto Lilienthal über Alberto Santos-Dumont und Antoine de Saint-Exupéry bis hin zu Charles Lindbergh und Amelia Earhart: Selbst wer mit der Fliegerei wenig bis gar nichts zu tun hat und sich vielleicht noch nicht einmal ansatzweise dafür begeistern kann, kennt vieler der Namen von Luftfahrt-Pionieren.

Für Flieger und Piloten waren insbesondere die Anfangsjahre der Luftfahrt nicht nur voller Abenteuer, sondern vor allem auch gefährlich. Die Instrumente, die zur Verfügung standen, waren eher durchschnittlich ausgereift und oft mehr als unzuverlässig. War navigieren musste oder den Treibstoffverbrauch, bzw. den noch zur Verfügung stehenden Treibstoff berechnen wollte, der muss sich auf den eigenen Zeitmesser verlassen – ein Fakt, der selbst Jahrzehnte später in der Raumfahrt noch eine tragende Säule darstellen sollte.

Was der ein oder andere vielleicht etwas amüsant finden dürfte: Die Geschichte der Fliegeruhren, bzw. der Pilotenuhren (hierbei gibt es nicht wirklich eine durchgängige Nomenklatur) ist deutlich länger als die der Taucheruhr! Während die erste halbwegs nutzbare Taucheruhr um 1932 konzipiert wurde, war die erste speziell für die Fliegerei konzipierte Fliegeruhr bereits beim ersten Flug der Menschheitsgeschichte dabei: dem Flug der Gebrüder Wright am 17. Dezember 1903.

Die Anfänge der Fliegerei

Die ersten Vorläufer der modernen Fliegerei waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommen, wobei insbesondere der Segelgleiter des deutschen Flugpioniers Otto Lilienthal zu nennen wäre. Mit Flugweiten von bis zu 250 Metern übertraf Lilienthal seine Vorgänger um ein Vielfaches. Über 2.000 Gleitflüge absolvierte Otto Lilienthal selbst, bevor sein Gleiter die erste in Serie produzierte Flugmaschine der Welt wurde. Wenige Jahre später, am 14. August 1901, soll Gustav Weißkopf mit dem ersten gesteuerten Motorflug Geschichte geschrieben haben, allerdings ist sein Flug nur unzureichend dokumentiert. Ursprünglich wurde sein angeblich über eine halbe Meile reichender Flug immer wieder angezweifelt, mittlerweile bestehen aber kaum noch ernsthafte Zweifel daran, dass Gustav Weißkopf ein selbständig fliegendes Flugobjekt konstruiert hatte und den infrage stehenden Flug tatsächlich absolviert hat. Den endgültigen Durchbruch schaffte die Fliegerei aber erst gegen Ende des Jahres 1903 – und hier war bereits eine Uhr mit im Spiel.

Die Brüder Wilbur und Orville Wright aus Ohio waren eigentlich keine typischen Flugpioniere dieser Zeit. Als Söhne eines christlichen Bischofs brachen beide ihre Highschool-Ausbildung ab und gründeten Mitte der 1880er Jahre eine Druckerei, sowie später eine eigene Zeitung in einen Laden für Fahrradreparaturen. Bereits früh konnten sich die Brüder aber für die Fliegerei begeistern und so dürfte es wohl kaum verwundern, dass der endgültige Durchbruch auf diese beiden jungen Amerikaner zurückgeht. Bereits 1902 gelangen den Brüdern nennenswerte Erfolge mit einem Gleitflieger namens „Wright Glider“. Die maßgebliche Erfindung der Gebrüder Wright, die den Grundstein für ihren kurz darauf einsetzenden Erfolg legen sollte, war die erste vollständige aerodynamische Flugsteuerung des Flugobjekts um alle drei Raumachsen. Am 17. Dezember 1903 gelang ihnen schließlich der erste motorisierte Flug mit dem Vorläufer eines Flugzeugs, der auch entsprechend dokumentiert wurde.

Moderner Flieger-Chronograph: Die Breitling Navitimer World
Moderner Flieger-Chronograph: Die Breitling Navitimer World

Insbesondere der ausführlichen Dokumentation ihrer Erfindungen und Fortschritte dürfte es zu verdanken sein, dass die Leistungen der Gebrüder Wright bereits zu Lebzeiten weltweit gewürdigt wurden und es, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Flugpionieren zu jener Zeit, keine Gerüchte über mögliche Schwindeleien und Hochstapelei gab. Für diesen Flug beauftragten die Gebrüder Wright einen Schweizer Uhrmacher mit der Fertigung einer Uhr, die das Ablesen der Uhrzeit während des Fluges erlauben sollte: Vacheron Constantin.Der Hersteller aus Genf packte schließlich einen Taschenchronometer an ein Lederarmband, versah das Gehäuse mit festen Bandanstößen und fädelte ein langes Lederarmband hindurch.

Die Bandanstöße waren jedoch nicht oben und unten am Gehäuse angebracht, wie man es von modernen Armbanduhren mit der Krone auf der linken Seite kennt, sondern links und rechts mit der Krone auf der Oberseite. Diese Konstruktion ist der Grund dafür, warum es sich bei dieser Uhr wahrscheinlich um die erste Pilotenuhr, nicht aber um die erste Armbanduhr für Piloten handeln dürfte: Die Uhr wurde gar nicht am Handgelenk, sondern um den Oberschenkel geschnallt getragen. Auf diese Weise konnte eine größere Uhr verwendet werden, die leichter ablesbar war, gleichzeitig musste der Pilot aber keine Taschenuhr aus der Jackentasche holen, um die Uhrzeit zu checken.

Fliegeruhren im 2. Weltkrieg

Traurige Berühmtheit erlangen Fliegeruhren spätestens mit dem 2. Weltkrieg. Für Bomberpiloten waren Zeitmesser, die auf einen Blick und sehr präzise die Uhrzeit anzeigen konnten, essentiell wichtig. Auf anderem Wege ließen sich die komplexen Strecken bis zum Ziel bei Dunkelheit kaum bewältigen. Das Quintett aus IWC Schaffhausen, Wempe, Stowa, Laco und A. Lange & Söhne lieferte Pilotenuhren an die Deutsche Luftwaffe, die für einzelne Einsätze dann an die Piloten der Bomber ausgegeben wurden. Diese oft mehr als 55 mm großen Uhren waren eigentlich keine Armbanduhren, sondern Taschenuhren mit angelöteten Bandanstößen. Getragen wurden diese Stücke an einem langen Lederband, das es erlaubte, die Uhr auch über dem Ärmel einer dicken Lederjacke zu tragen. Wer wissen möchte, wie diese Uhren aussahen, der kann einfach einen Blick auf die moderne IWC Big Pilot werfen! Diese moderne Uhr ist eine Nachbildung der frühen Fliegeruhren aus dem 2. Weltkrieg, wenn auch technisch modernisiert und auf tragbare 46 mm ohne Krone verkleinert.

Sämtliche der Bomberuhren dieser fünf Hersteller verfügten über ein schwarzes Zifferblatt, gut ablesbare Schwertzeiger und ein Uhrwerk mit Sekundenstopp. Letzterer war äußerst wichtig, denn die Uhren wurden nicht etwa getragen, um tatsächlich die aktuelle Uhrzeit abzulesen. Vielmehr dienten diese Zeitmesser als Stoppuhren, die eine gewisse abgelaufene Zeit ab dem Start der Maschine anzeigen sollten. Hierfür wurde die Krone herausgezogen, damit der Sekundenzeiger anhielt und die Uhrzeit wurde auf 12.00 Uhr gestellt. Beim Start wurde die Krone eingedrückt und die Uhr begann zu laufen. Auf Grund vorheriger Berechnungen war den Piloten bekannt, wie lange sie bis zu ihrem Ziel brauchen würden, um ihre tödliche Fracht abwerfen zu können. Die Uhren dienten also zur Navigation.

Moderne IWC Big Pilot im Stil der Pilotenuhren aus dem 2. Weltkrieg
Moderne IWC Big Pilot im Stil der Pilotenuhren aus dem 2. Weltkrieg

Nötig war dieser kleine Trick zum Navigieren auf Grund der britischen Lernfähigkeit während des 2. Weltkriegs. Die wiederholen schweren Bombardements der Deutschen Luftwaffe führten dazu, dass die Briten außerhalb ihrer großen Ballungszentren komplett neue Geisterstädte aufbauten und diese künstlich beleuchteten. Im Falle eines Fliegeralarms konnten die Stadtbewohner dann in der eigentlichen Stadt sämtliche Lichter löschen und übrig blieb die fernab liegende Pseudostadt. Im Dunklen konnten die Bomberpiloten sich ausschließlich an den Lichtern von Städten orientieren, um. zu wissen, ob sie bereits über ihrem Ziel angekommen waren – die Scheinstädte der Briten machten das Bombardieren bei Nacht schließlich beinahe wirkungslos. Um zu wissen, wann man tatsächlich über dem eigentlichen Ziel des Fluges war, mussten sich die Piloten daher auf ihre Armbanduhren verlassen.