Die Historie der Audemars Piguet Royal Oak Offshore
Eine Armbanduhr, die in einer Liste der ikonischsten und bedeutendsten Armbanduhren natürlich auf keinen Fall fehlen darf, ist die Audemars Piguet Royal Oak Offshore. Der große Bruder der „kleinen“ Royal Oak war schon immer ein echter Brummer, was dem ersten Modell der Serie mit der Referenz 25721 den damals wenig schmeichelhaften Spitznamen „The Beast“ einbrachte. Ähnlich wie andere legendäre Uhren, etwa die Patek Philippe Nautilus 3700, wurde die Royal Oak Offshore bei ihrer Lancierung als viel zu groß und überdimensioniert empfunden. Und damit hatten die Kritiker durchaus einen Punkt: Das Volumen der Uhr war etwa um den Faktor 2,5 größer als bei der regulären Royal Oak.
Dieser enorme Zuwachs an Volumen hatte jedoch nicht nur mit der gesteigerten Größe auf 42 mm ohne Krone zu tun, sondern vor allem auch mit der Bauhöhe der Uhr! Im Inneren der Uhr arbeitete zu Beginn ein Jaeger LeCoultre Basiswerk mit Chronographen-Modul, zudem sorgte das bullige Gehäuse für noch mehr Höhe. Das Chronographenmodul ist auch der Grund, warum das Datum bei den Royal Oak Offshore Referenzen 25721 und 25770 so dunkel wirkt: Weil das Datum im regulären Jaeger LeCoultre Basisuhrwerk angebracht ist und das Chronographenmodul darüber sitzt, liegt das Datum deutlich tiefer als man es von anderen Uhren kennt – immerhin hat auch das Chronographenmodul eine nicht zu unterschätzende Bauhöhe.
Trotz ihrer anfänglichen Unbeliebtheit gehört die Royal Oak Offshore heute zu den mit Abstand beliebtesten Uhrenmodellen im Luxusbereich und ist ein Erfolgsgarant für Audemars Piguet. Die breite Vielfalt an unterschiedlichen Konfigurationen macht die Royal Oak Offshore zudem zu einer sehr wandlungsfähigen Uhr, die regelmäßig um Sonderlimitierungen erweitert wird. Wer jedoch die Geschichte der Royal Oak Offshore genau verstehen will, der muss zurück an den Anfang gehen – nämlich ins Jahr 1989.
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1989: Die Entstehung einer Idee
Die Geschichte der Royal Oak Offshore hängt ironischerweise weder mit der Geschichte der Schweiz oder gar der Schweizer Uhrenindustrie zusammen, sondern – und wer hätte das gedacht – mit der deutschen Geschichte. Westdeutschland war für Audemars Piguet bereits ein vergleichsweise wichtiger Markt in den 1980er Jahren, denn die auf den 2. Weltkrieg folgenden Jahrzehnte waren von Wachstum und finanziellem Wohlstand geprägt. Die Wiedervereinigung führte schließlich zu einer Hoffnung, ein ähnlicher Wachstumsimpuls würde noch einmal erfolgen. Der damalige Co-CEO von Audemars Piguet, Stephen Urquhart, der bereits seit 1974 für das Unternehmen aktiv war, gilt als geistiger Begründer der Audemars Piguet Royal Oak Offshore.
Dem Vernehmen nach wollte Urquhart eine moderne, massige und sportliche Armbanduhr präsentieren, die vor allem eine jüngere Klientel anlocken und insbesondere eine männliche Zielgruppe ansprechen sollte. Tatsächlich dürfte ein wesentlicher Impuls für die Entwicklung der Royal Oak Offshore aber von Dierk Wettengel gekommen sein, dem damaligen Deutschland-Chef der Uhrenmarke. Wettengel war Geschäftsführer der „Audemars Piguet Uhren GmbH“ und damit der exklusive Vertriebspartner für AP Uhren in Deutschland. In einem Brief an Urquhart, von letzterem vermerkt am 2. Februar 1989, bekräftigte Wettengel seine Idee einer neuen ikonischen Uhr für die 1990er Jahre, die insbesondere auf dem deutschen Markt erfolgreich hätte sein sollen.
Seit den 1980er Jahren waren Audemars Piguet Armbanduhren mit vielen Komplikationen bereits sehr beliebt in Deutschland, was unter anderem auf das Engagement von Wettengel zurückzuführen sein dürfte. Gerade der erhoffte Kaufkraft-Schub als Folge der Wiedervereinigung, sowie eine immer wohlhabendere Jugend dürften bei Wettengel und Urquhart dazu geführt haben, die Idee der Royal Oak Offshore (der Name „Offshore“ existierte um 1989 als Idee bereits und wurde am 22. Februar 1989 im Auftrag von Audemars Piguet offiziell registriert) weiter zu verfolgen. Im selben Jahr, 1989, wurde schließlich der damals gerade einmal 22 Jahre alte Genfer Designer Emmanuel Gueit von Stephen Urquhart persönlich damit beauftragt, eine sportlichere und maskulinere Version der Audemars Piguet Royal Oak für ein jüngeres Publikum zu kreieren.
Das dürfte aus heutiger Sicht kaum überraschen: Um 1990 war der durchschnittliche Audemars Piguet Kunde zwischen 47 und 77 Jahren alt – heute wäre das beinahe ein Todesurteil für einen Luxusuhren-Hersteller. Gueit lag das Design für luxuriöse Armbanduhren mit ikonischem Charakter vermutlich bereits in der DNA: Sein Vater, Jean-Claude Gueit, gilt als Erfinder des „Rainbow-Settings“ und war als Designer verantwortlich für die Schaffung der Piaget Polo und der Baume & Mercier Riviera. Emmanuel Gueit war bereits seit dem 1. Juni 1987 für Audemars Piguet tätig, nachdem er vom Vorgänger Steven Urquharts, Georges Golay, persönlich eingestellt worden war.
Die bullige Royal Oak Offshore am Markt
Das Marketing für die Royal Oak Offshore stand von Anfang an unter dem Motto „groß und größer“. Als in den späten 1980er Jahren immer mehr Frauen begannen, auch größere (für damalige Verhältnisse jedenfalls) Uhren zu tragen, verschwand die klassische Einteilung in Damen- und Herrenuhren zunehmend. Die Idee, die Royal Oak Offshore merklich größer als die reguläre Royal Oak zu machen, kam nicht von Urquhart oder Audemars Piguet selbst, sondern vom Designer Gueit. Dieser hatte zu Beginn sogar einen Kompass auf dem Zifferblatt vorgesehen. Trotz der Beauftragung des Designers war man bei Audemars Piguet nicht zuletzt wirklich überzeugt vom Konzept der Uhr.
Immer wieder verschob Stephen Urquhart den Launch der Modellreihe, aus Angst, man könnte mit der unkonventionellen Uhr den Markennamen von Audemars Piguet nachhaltig beschädigen. Eine Anekdote des Designers Emmanuel Gueit, wie dieser den Vorstand von Audemars Piguet schließlich zur Markteinführung der Royal Oak Offshore überredet haben soll, darf hier natürlich nicht fehlen: Gueit lieh sich von einem Freund dessen Rolex Sea-Dweller und verglich sie vor den Augen von Urquhart und anderen Führungskräften von AP mit dem Prototypen der Royal Oak Offshore. Als die im Vergleich doch nicht zu groß wirkenden Dimensionen erstmals sichtbar wurden, gab Audemars Piguet schließlich das OK für die Markteinführung. Das massige Gehäuse hatte neben dem maskulinen Erscheinungsbild aber auch noch einen anderen Grund: die Royal Oak Offshore war magnetfeldresistent, denn im Inneren der Uhr befand sich ein Käfig aus Weicheisen, um das Uhrwerk vor magnetischen Feldern abzuschirmen.
Bis heute ist diese Magnetresistenz von rund 300 Oe kaum bekannt – wie auch, schließlich vergaß Audemars Piguet bei der Markteinführung im offiziellen Presserelease, diesen Fakt zu erwähnen. Stattdessen wurde der Fokus auf das Design und natürlich die 100 Meter Wasserdichtigkeit gelegt, da es um diese Zeit kaum einen Chronographen gab, der über eine so hohe Wasserresistenz verfügte.
Schleppender Start und Limited Editions
Zu Beginn wurden, wie auch schon bei der klassischen Royal Oak, zunächst 1.000 Stück gefertigt, die vor einer weiteren Produktion neuer Uhren verkauft werden sollten – und das sollte dauern. Als die Royal Oak Offshore 1993 in Basel vorgestellt wurde (eigentlich war 1992 als Einführungsdatum anvisiert worden, um das 20-jährige Jubiläum der Royal Oak feiern zu können, allerdings gestaltete sich die Entwicklung des komplexen Gehäuses der Royal Oak Offshore als schwieriger als gedacht), war das Echo mehr als verhalten. Selbst der Vater der Royal Oak, Gerald Genta, soll wörtlich gesagt haben „Ihr werden meine Royal Oak umbringen“.
In Italien, einem durchaus relevanten Markt für Luxusuhren, war die Royal Oak Offshore bereits zu Beginn relativ erfolgreich – mit dem italienischen Skifahrer Alberto Tomba als Modellbotschafter hob die Offshore dann aber erst so richtig ab. Im gesamten Jahr 1993 wurden in Italien 24 Royal Oak Offshore Uhren verkauft – mehr als in jedem anderen Land und mehr als ein Drittel der gesamten Verkäufe des Jahres (61 Stück). Auf Platz 2 folgte die Schweiz mit 15 Uhren und auf Platz 3 Deutschland mit sieben Stück. Insgesamt wurden in den ersten drei Jahren der Royal Oak Offshore allerdings nur exakt 716 Uhren verkauft, sodass es bis 1996 dauern sollte, bis alle 1.000 Stück der ersten Serie verkauft waren. Zum Vergleich: Die Verkäufe der regulären Royal Oak waren etwa um den Faktor 7 bis 10 höher. Gleichzeitig kostete die Royal Oak Offshore bei ihrer Einführung aber auch das Doppelte der regulären Royal Oak. Der endgültige Durchbruch für die Royal Oak Offshore gelang dann im Jahr 1999 mit der „End of Days“ Limited Edition. Diese komplett schwarze Version der Referenz 25770 wurde speziell für Arnold Schwarzenegger im Film „End of Days“ konzipiert und war die erste offizielle Kooperation einer Uhrenmarke mit einem Schauspieler für eine Limited Edition überhaupt.
Die drei Jahre zuvor vorgestellten Versionen der 25770, die ein Lederarmband und farbige Zifferblätter hatten, waren zwar durchaus erfolgreich, konnten jedoch keine durchschlagenden Verkaufszahlen erreichen. Dass die Referenz 25770 auch in Gelbgold (vorgestellt 1996, Spitzname „The Beauty“) verfügbar war und um 2000 sogar um Versionen mit einem silbergrauen Zifferblatt erweitert wurden, ist heute kaum jemandem bekannt.
Der späte Erfolg der Royal Oak Offshore
Die Royal Oak Offshore von Audemars Piguet war die erste echte Oversize-Uhr und legte damit den Grundstein für moderne Marken wie Hublot oder Richard Mille, bei denen überdimensionierte Armbanduhren zum klassischen Fokus gehören. Alleine Panerai, heute bekannt für große Armbanduhren, bot vergleichbare Dimensionen wie die Royal Oak Offshore, allerdings war die Marke in den sogenannten „Pre-Vendome“ Jahren von 1993 bis 1997 so unbedeutend, dass kaum jemand die ehemals ausschließlich an das Militär liefernde Marke auf dem Schirm hatte. Gleichzeitig war die Royal Oak Offshore nie eine Taucheruhr, sondern lediglich eine Sportuhr, die schon alleine auf Grund des Chronographen ohne verschraubte Drücker nicht unbegrenzt wasserdicht sein konnte.
Erst im Jahr 2010 wurde die Royal Oak Offshore Diver mit der Referenz 15710 vorgestellt – eine luxuriöse Taucheruhr mit 300 Metern Wasserresistenz, innenliegender Drehlünette und Flankenschutz. Heute umfasst die Royal Oak Offshore Reihe auch Modelle mit ewigem Kalender, Tourbillon und anderen Komplexitäten. Zum 30-jährigen Jubiläum der Royal Oak Offshore wurde 2023 ein Modell komplett aus Keramik aufgelegt, das wie eine moderne Ausführung der „End of Days“ Uhr wirkt. Zu den beliebtesten Modellen gehört mittlerweile aber auch die 2018 neu aufgelegte „The Beast“ der Referenz 26237 – alte Liebe rostet eben nicht.
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