Der (Un-)Sinn rund um die teuerste Uhr der Welt

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Mehrere Millionen Euro für eine Armbanduhr auszugeben ist für die meisten Normalsterblichen dieser Welt nicht wirklich eine Option. Gleichwohl gibt es immer wieder aufs Neue heftige Diskussionen über Versteigerungserlöse bedeutender Armbanduhren und Taschenuhren. Wer sich mit Uhren beschäftigt, der stellt sich früher oder später natürlich auch einmal die Frage nach der teuersten und vielleicht sogar nach der günstigsten Uhr. Um die wirklich teuersten Uhren der Welt soll es im Folgenden aber gar nicht direkt gehen, sondern eher um die Sinnhaftigkeit, oder vielleicht eher die Sinnlosigkeit einer solchen Diskussion.

Dass Luxusuhren teuer sind, ist wohl ohne Zweifel klar. Bereits die Einordnung einer Uhr als „Luxusuhr“ ist aber schon etwas sehr Individuelles. Dass eine Rolex, Patek Philippe, Audemars Piguet oder Vacheron Constantin eine Luxusuhr ist, gilt in der Uhrenwelt als allgemein anerkannt. Wie sieht es aber mit Topmodellen von Mido, Oris oder Junghans aus? Entscheidet der Hersteller oder das Modell über die Klassifizierung „Luxus“? Kommt es auf die verwendeten Materialien, den aufgerufenen Listenpreis (unabhängig von etwaig gewährten Rabatten) oder das Niveau der Verarbeitung an?

ür einen Otto-Normalverbraucher dürfte eine Omega Speedmaster bei einem Marktpreis für ein gebrauchtes Modell von rund 5.000 Euro eine Luxusuhr sein. Aber gilt das für den Multimillionär auch, für den Rolex bereits zu sehr als Massenware gilt und für den 5.000 Euro ein nettes Trinkgeld sind? Bereits hier zeigt sich, wie gegenstandslos diese Diskussion ist. Einige Gedanken, die es wert sind, gedacht zu werden, sollen in diesem Beitrag zu Papier (oder besser auf den Bildschirm) gebracht werden.

Die teuerste Uhr der Welt: wirklich?

Aber auch beim Blick auf die im Internet immer wieder kursierenden Ranglisten mit den teuersten Uhren der Welt zeigt sich, warum diese Einordnungen nicht einfach so möglich sind und warum diese zum Teil sogar einfach nur unsinnig sind. Die ersten beiden Plätze dieser Ranglisten gehen regelmäßig an die Modelle „Hallucination“ und „The Fascination“ der Manufaktur Graff Diamonds. Wer einen Blick auf die Uhren wirft, wird schnell feststellen: Nicht die Uhren selbst (bei denen es sich sogar um einfache Quarzwerke handelt) sorgen hier für den extrem hohen Preis, sondern die zahlreichen Diamanten und Edelsteine. Wenn die Uhr nur Beiwerk ist, haben diese Schmuckstücke dann überhaupt einen Platz in diesen Listen verdient? Eine Frage, die kaum zu beantworten sein dürfte.

Auch beim Blick auf Platz 3 der teuersten Uhren tun sich Fragen auf. Dabei geht es um die legendäre Patek Philippe Grandmaster Chime mit der Referenz 6300A-010. Die Uhr mit stolzen 20 Komplikationen, sieben angemeldeten Patenten und einem drehbaren Gehäuse wurde auf der „Only Watch“ Auktion 2019 für stolze 31 Mio. Schweizer Franken versteigert. Das Problem: Bei dieser Uhr handelt es sich um ein Einzelstück. Kann der Versteigerungserlös für ein Einzelstück also ein Modell als teuerste Uhr der Welt qualifizieren, wenn diese Uhr streng genommen gar nicht mehr für den Markt zugänglich ist? Zumal in bestimmten Ländern auch steuerliche Vorteile für die Höchstbieter winken, wenn ein Großteil des Versteigerungserlöses an wohltätige Zwecke gespendet werden – das treibt die Preise zusätzlich nach oben.

Auch ein weiterer Faktor bleibt bei modernen Auktionspreisen immer wieder außer Acht: die Inflation. Geld wird weniger Wert, sodass zwangsläufig bei gleichbleibender Kaufbereitschaft die Summen steigen und damit immer neue Rekorde aufstellen. Zum Vergleich: Im Jahr 1973 kostete eine Rolex Cosmograph Daytona ganze 385 US-Dollar. Diese lächerlich wirkende Summe entspricht allerdings einem heutigen Kaufkraftäquivalent von rund 2.500 US-Dollar – der heutige Pries ist damit nominell um den Faktor 6,5 höher. Ähnliche Entwicklungen kann man etwa auch in der Filmindustrie beobachten: Moderne Filme erzielen trotz weniger Menschen im Kino immer höhere Umsätze und stellen damit „Rekorde“ auf, weil die Kinotickets erheblich teurer werden. Dass damit neuer Rekord um Rekord aufgestellt wird, ist eine mathematische Gewissheit.

Listenpreis, Versteigerungserlös und Angebotspreis

Der Listenpreis einer Uhr wäre vermutlich der einzig sinnvolle Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob eine Uhr nun wirklich die „teuerste“ Uhr der Welt ist. Bereits bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass auch diese Metrik nicht wirklich geeignet ist. Gehen die Uhren wirklich für den jeweiligen Listenpreis über den Tresen oder nur nach Gewährung erheblicher Rabatte? Auch das Gegenteil ist denkbar: Werden die Uhren oft vielleicht sogar direkt wieder auf den Sekundärmarkt geworfen, sodass der Listenpreis für den Großteil der Käufer völlig irrelevant ist?

Der Angebotspreis am Sekundärmarkt wäre eine gute Alternative zum Listenpreis, um die tatsächliche Rangliste der teuersten Uhren der Welt zu bilden. Gleichwohl gibt es auch hier Probleme: Gehen die angebotenen Modelle am Gebrauchtmarkt oder Graumarkt wirklich für die aufgerufenen Angebotspreise weg? Das darf insbesondere in einem fallenden Uhrenmarkt bezweifelt werden. Zudem gibt es auch Trends, die einen nicht ganz unerheblichen Einfluss auf die Preise bestimmter Modelle haben können und die Preisentwicklung zum Teil ähnlich einer Sinusfunktion verlaufen lassen.

Der einzig wirklich verlässliche Faktor dürfte eine Liste oder ein Index mit Preisen sein, die tatsächlich für bestimmte Modelle an einem bestimmten Zeitpunkt bezahlt wurden. Für viele Volumenmodelle (wie etwa Uhren von Rolex, Omega, Breitling oder IWC) dürfte diese Herangehensweise funktionieren. Bei streng limitierten Topmodellen von A. Lange & Söhne, Patek Philippe oder Richard Mille stößt diese Herangehensweise aber bereits wieder an ihre Grenzen: Nur weil ein einziger Käufer bereit ist, einen bestimmten Preis für ein Modell zu bezahlen, muss dies ein weiterer Käufer nicht auch direkt wieder sein.

Die teuerste und die billigste Uhr der Welt

Dass Patek Philippe in der Liste der zehn teuersten Uhren der Welt noch zwei mal vorkommt (mit der Henry Graves Supercomplication Taschenuhr und der legendären Ref. 1518 in Edelstahl), ist nicht verwunderlich, denn auch im Hinblick auf die Listenpreise moderner Uhren ist Patek Philippe am obersten Ende der Fahnenstange angesiedelt. Dennoch zeigt sich bei genauerem Hinsehen, wie unsinnig und undifferenziert die Frage nach der teuersten Uhr der Welt stets beantwortet wird.

Die Frage nach der günstigsten Uhr der Welt ist dagegen relativ leicht zu beantworten. Es mag zwar billige Quarzuhren für wenige Cent oder Dollar geben, die günstigste Armbanduhr eines halbwegs relevanten Herstellers ist jedoch zweifelsfrei die Casio F-91W. Für gerade einmal knapp über 12 € erhält man mit diesem Modell eine robuste, klassische und zeitlose Digitaluhr, die dank ihres Retro-Charmes selbst eingefleischten Luxusuhren-Fans Respekt abnötigt. Gleichzeitig dürfte es sich bei dieser Uhr aber auch um die „tödlichste“ aller Uhren handeln. Dank ihres geringen Preises und der einfachen Digitalschaltung werden F-91W Uhren regelmäßig von Terror-Organisationen für einfache Bomben und Sprengsätze verwendet – die Elektronik lässt sich leicht in einen Timer umwandeln und damit als Zeitzünder nutzen.

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